Georg- ein Mann und sein Gemüse

 

Was macht für dich ein gutes Leben aus?

Selbstwirksam leben und arbeiten, im Einklang
mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen.

Was tust du für ein gutes Leben?

Das möglichst Richtige im Falschen …

Dein Motto des guten Lebens

Die Welt, obgleich sie wunderlich,
/ Ist mehr als gut genug für mich! (W.Busch)

Georg Rieck, Mai 2018, Gießen

Als vor 40 Jahren eine Tomate, eine Wurst, ein Stück Käse und ein Brot durch Gießen tänzelten, zog mit ihnen auch ein neuer Lebensstil in die Studentenstadt ein. Die Wurzel eines ersten Bioladens verankerte sich rasch.

Die Geschichte von Klatschmohn begann in einem 18-Quadratmeter- Hinterzimmer in der Ludwigstraße. Studenten gründeten damals das Kollektiv zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft, vollwertiger Ernährung und eines neuen sozialen Miteinanders. In direkter Nachbarschaft zu einem alt eingesessenen Herrenfriseur gingen nun die langhaarigen Hippies ein und aus, so erinnert sich Mitbegründer Georg Rieck lebhaft an die Ursprünge. Die Regale spärlich noch bestückt mit Nicaragua- Kaffee, ein bisschen Gemüse, französischem Rotwein und Naturkosmetik, die Öffnungszeiten marginal. „Niemand war auf Profit aus, wir wollten die Welt verändern“ so erinnert sich Rieck, der nach seinem Agrar-Studium 1984 zunächst als Aushilfe in das Geschäft mit einstieg. „Es war eine merkwürdige Stimmung damals, keiner wusste so recht wohin. Wir waren politisch heimatlos, konnten uns weder mit der der RAF zugewandten Linken, noch mit den Drogen nehmenden Hippies identifizieren.“ Diskutiert und debattiert wurde bei den Treffen im düsteren Hinterzimmer. Und gekocht- vegetarisch versteht sich. Der „Arbeitskreis ökologischer Landbau“ formierte sich. Die Begriffe Umwelt und Umweltschutz gewannen zunehmend an Bedeutung, nachdem die Auswirkungen der Umstellung auf konventionelle Landwirtschaft immer krassere Formen annahmen. „Die Fische schwammen tot auf den Flüssen und eine Reihe von Lebensmittelskandalen rüttelte auf.“ Unter Ökologie verstand man zunehmend einen, die Ressourcen und die intakte Umwelt schonenden, nachhaltigen Umgang mit der Natur, eine „naturnahe“ Lebensführung und eine ganzheitliche Betrachtung der Welt. So auch die Ziele des damaligen Kollektivs. Mit Anschaffung einer Kühltheke konnten endlich Frischwaren wie Milch und Käse angeboten werden, das Angebot wuchs und mit ihm auch das kaufmännische Handeln der Protagonisten. Dan explodierte in Tschernobyl das Atomkraftwerk und der Bedarf ökologisch erzeugter Produkte stieg explosionsartig. “Öko war damit auch in den bürgerlichen Kreisen angekommen“ so Rieck. Ein Umzug in ein „riesengroßes“ Ladenlokal  wurde vollzogen, am 30.12.1988 gründeten die drei Gesellschafter Georg Rieck, Stephan Scheu und Edgar Löber die „Klatschmohn Naturkost GmbH“. In den folgenden Jahren entwickelten sich die Sortimente stetig weiter und der Laden wurde Schritt für Schritt zum „Naturkost-Fachgeschäft für Lebensmittel aus ökologischem Anbau“ mit deutlichem Schwerpunkt auf den Frischsortimenten ausgebaut. „Wir mussten Betriebswirtschaft lernen, aus der „Selbsterfahrung“ ein Arbeitsleben entwickeln und einen Computer mit Warenwirtschaftssystem anschaffen“ so beschreibt der heutige alleinige Geschäftsführer den Prozess und das Ende der vom Aufbruch geprägten Pionierzeit der Ökobewegung. „Um die Jahrtausendwende wurde es richtig unruhig in der Szene“ weiss Rieck. 2000 eröffnete in München der erste Bio- Supermarkt „basic“. Rieck und seine Frau Petra fuhren sofort zur Besichtigung: „So etwas brauchen wir in Gießen auch!“ Also begab man sich erneut auf Standortsuche und bezog 2002 die Räume eines ehemaligen Möbelhauses. Aus dem ehemaligen schummrigen Hinterhofzimmer war ein lichter und übersichtlicher Ort erwachsen, der sich mit stetig breiterem Angebot, großem Engagement und Liebe zum Detail den Kunden darbot. Ein großes Frischkostsortiment, Fleisch- und Käsetheke, ein Bäcker und später ein großer Bistrobereich- das Angebot wuchs mit den wachsenden Bedürfnissen der Kunden stetig. Haben die Gründer somit ihre Ziele erreicht? „Die Lösungsidee ist noch die gleiche wie vor 40 Jahren“ betont Rieck sein weiteres Streben. „Wir haben die Agrarindustrie satt! Die Agrarwende muss gelingen, weil die industrielle Landwirtschaft in der globalisierten Welt augenfällig ungeheure Schäden an den Ökosystemen und somit den Lebensgrundlagen der Menschen anrichtet. Ökosysteme brauchen zwingend im Sinne der Definition Kleinteiligkeit, Vernetzung und Biodiversität als Grundlage, um zu funktionieren.“ Damit spricht der Agrarwirt die Wiederbelebung kleiner bäuerlicher Strukturen an, die laut Weltagrarbericht als einzige in der Lagen sein könnten, um durch Regionaliät alle Menschen mit Lebensmitteln versorgen zu können. Weltweit und bis zu 10 Milliarden Menschen wie aus dem Bericht zu entnehmen ist. „So werden wir, die Menschen im Klatschmohn, auch die nächsten 40 Jahre für diese Utopie einer Welt arbeiten, in der umweltverträgliche, saubere, rücksichtsvolle, schadstofffreie und ressourcenschonende Wirtschaftsformen als gut und richtig angesehen werden!“ so das Schlusswort des engagierten Sechzigjährigen. 

Die Tomate, die Wurst und das Brot laufen übrigens auch heute noch durch Gießen.