Irgendwie gefällt mir grade der Begriff „Konsumfasten“ nicht mehr. Enthaltsamkeit, Verzicht und Verbote sind für mich eng mit Fasten verknüpft, Begriffe, die mir eher negative Assoziationen malen. Aber richtig negativ fühlt sich in meiner nun dreiwöchigen Konsumfastenphase nichts an. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, als hätte ich mehr Freiheit gewonnen. Freiheit, die ich im vergangenen Jahr schon einmal in dieser Form verspürt habe. In dieser Zeit war ich für vier Wochen in Vietnam unterwegs, nur mit dem Nötigsten ausgestattet, 8,6 Kilo zeigte die Kofferwaage am Flughafen bei Abflug an. Ein paar Kleidungsstücke für verschiedene Wetterbedingungen, Hygieneartikel, Visum und Reisepass und ein Notizbuch, mehr war für die vier Wochen in feucht-warmen Klima nicht nötig. Im Gegenteil, das morgendliche „aus-dem-Fenster-schauen“ bestimmte die Wahl der Kleidung des Tages, am Abend wurde gewaschen. Fertig! Auf Reisen ist es scheinbar oft nicht so wichtig, was man trägt, sondern nur, ob es den jeweiligen Gegebenheiten gerecht wird. In den entlegensten Bergdörfern im Norden Vietnams kam ich mir jedoch mit meinem Gepäck immer noch mehr als opulent ausgestattet vor, so lebten die Menschen dort oft nur mit dem allernötigsten. Natürlich kann man jetzt denken, die armen Menschen haben ja garnichts, in einem Dorf erzählte jedoch eine Einwohnerin eine für mich sehr nachdrückliche Weisheit: „Wer viel hat, muss seine Tür abschließen, damit nichts gestohlen wird. Geschlossene Türen sind jedoch nichts, nachdem wir hier streben.“ So wird wenig Besitz nicht zum Verzicht, sondern zu einer Lebenseinstellung, in der soziale Kontakte, Vertrauen und gegenseitige Unterstützung eine viel höhere Wertigkeit haben. Autos, wenn überhaupt vorhanden, dienen der Fortbewegung und nicht als Statussymbol. Kleidung schützt vor Sonne und Regen, Wohnungen und Häuser ebenfalls. Natürlich gibt es auch Dinge, auf die man dort stolz sind. In einem Dorf zog mich eine Frau in Arbeitskleidung mit in ihr Haus, um mir dort ihre wunderschöne Tracht zu präsentieren. Dennoch trug sie ihre Arbeitskleidung vorab mit dem gleichen Lächeln, wie sie mir ihre Festtracht präsentierte. Im gleichen Moment bat sie mich in den Kreise ihrer Familie, die sich auf einem Strohteppich auf dem Boden zum Essen niedergelassen hatten. Ich bekam ein Schüsselchen in die Hand gedrückt und die mehrfache Aufforderung bei Reis, Gemüse und Fleisch ordentlich zuzugreifen. Eine Gastfreundschaft, die ich auf meiner Reise immer wieder erlebt habe. Wie oft wurde ich eingeladen in die Häuser und das nur weil ich grade durch ein Dorf gelaufen bin. Wie oft wurde mir Obst, Essen oder auch mal ein Reisschnaps in der Mittagssonne angeboten, ohne das ich danach gefragt hätte. Und dies von Menschen, die augenscheinlich so gut wie nichts besitzen. Mit Lächeln, Freundlichkeit und einer Selbstverständlichkeit, die ich in unserer Gesellschaft oftmals vermisse. Heute weiss ich, dass diese Menschen viel mehr besitzen, als die meisten von uns.
Katrina Friese